Der Halbbruder
Lars Saabye Christensen
768 pages, Hardcover
ISBN: 344275108X
ISBN13:
Language: German
Publish: August 1, 2003
ContemporaryFictionHistoricalHistorical FictionLiterary FictionLiteratureNovelsRomanScandinavian LiteratureUnfinished
Am letzten, am allerletzten Tag des Krieges, eigentlich ist es schon der erste Tag des Friedens, an diesem 8. Mai 1945 wird die junge Vera von einem Unbekannten vergewaltigt. Vera verstummt, spricht kein einziges Wort mehr, bis sie neun Monate später einen Sohn auf die Welt bringt. Sie nennt ihn Fred — Frieden.
Fred, an dessen Zeugung Vera sich nur schmerzhaft erinnert, hat es nicht leicht, schon gar nicht in der familiären Konstellation, in die er hineingeboren wird. Die Wohnung in der Osloer Gørbitzgate war bislang nur von Frauen bewohnt worden: Vera lebt dort mit ihrer zupackenden Mutter Boletta, die sich abrackert, um die Familie durchzubringen, und mit der etwas verrückten Großmutter, der Alten, die — angeblich — zur Stummfilmzeit ein Leinwandstar in Dänemark war. Ein Haushalt ganz ohne Männer: Größer kann die Schande kaum sein in dieser Zeit, die Nachbarn kucken verächtlich oder gleich weg, drei Generationen Huren, heißt es, was für Zustände! Und nun Fred, erneut ein vaterloses Kind — wie gottlos, was für ein Sündenpfuhl, das war ja kaum anders zu erwarten, hab ich’s dir nicht gleich gesagt?
Die Dinge ändern sich, als plötzlich ein dubioser Mann auftaucht, Arnold, kleinwüchsig und mit einer verkrüppelten Hand, aber reich, so wie es aussieht, mit einem chromglänzenden Buick fährt er vor. Arnold interessiert sich sehr für Vera — wie kann er, tuscheln die Nachbarn, was findet er an ihr, einer unverheirateten Mutter, da stimmt was nicht! — und bald zieht er in der Gørbitzgate ein. Arnold und Vera heiraten, und nicht allzu lange Zeit darauf bekommt Vera ein zweites Kind, wieder einen Sohn: Barnum, ja genau, wie der berühmte Zirkus, so soll er heißen, der stolze Vater will es nicht anders, denn der Zirkus hat in Arnolds Vergangenheit eine ganz besondere Rolle gespielt.
Das von vielen heftigen und sich oft widersprechenden Gefühlen geprägte Verhältnis der beiden Halbbrüder bestimmt fortan die Familie — bis in die Gegenwart hinein. Erzählt wird die Geschichte rückblickend von Barnum, der als Erwachsener im ausgehenden 20. Jahrhundert zu einem international gefeierten Drehbuchschreiber wird, sich in der großen Glitzerwelt von Hollywood, Venedig und Cannes herumtreibt und doch nicht loskommt von seiner Familie und seinem Bruder Fred. Der Halbbruder ist eine opulente, ausufernde und fein verästelte Familiensaga, voller Witz, Wehmut und Wahrheit — ein großartiger, ungeheuer vielschichtiger und tiefgründiger Roman, der dabei seine Leichtigkeit und Verspieltheit nie verliert.