Die Reise Nach Trulala

Wladimir Kaminer

187 pages, Hardcover

ISBN: 3442545420

ISBN13:

Language: German

Publish: January 1, 2002

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Der in der ehemaligen Sowjetunion gepflegte schöne Brauch, verdienten Proletariern einen Ferienaufenthalt in den Kapitalistenhochburgen Paris oder London zu ermöglichen, ließ Onkel Boris’ Herz hüpfen. Was unser Held der Arbeit nicht Um etwaigen Verlockungen im imperialistischen Ausland vorzubeugen, ließ das listige Sowjetregime in der südrussischen Steppe eine Art Potemkin’sches Geister-Paris aufbauen, das in der Herbstsaison mit wenigen Handgriffen in London umgestaltet werden konnte. Auch der merkwürdig vertraute Busfahrer, den Onkel Boris als Kollegen aus dem Arbeitslager identifizierte, trübte den Genuss in der Seine-Metropole nicht. Jahrelang noch sollte die Familie von den Montmarte-Eindrücken des lebenshungrigen Onkels zehren. Mit solchen und ähnlichen Schnurren über das Fernweh und die oftmalige Ernüchterung angesichts des Ziels vermeintlicher Träume, beweist Wladimir Kaminer erneut seinen lakonischen Scharfblick für den ganz alltäglichen Wahnsinn. Bekannt geworden durch den Erzählungsband Russendisko , durchstreift der witzige Exilrusse neuerdings für das ZDF- Morgenmagazin als stoischer Kommentator bundesdeutscher Befindlichkeiten seine Berliner Wahlheimat. Hier (im Ausländerwohnheim Marzahn) endete 1990 für’s Erste auch Kaminers Traum von der großen Freiheit. Die titelspendende Reise nach Trulala unternahm ein befreundetes Künstlerpärchen auf seiner Spurensuche nach Joseph Beuys, der, im Krieg auf der Krim abgeschossen und von dortigen Tataren gesund gepflegt, fortan in Fett und Filz machte. Des Autors Warnung vor der Krim als tatarenfreiem Touri-Neppland stieß bei den Beuys-Jüngern auf taube Ohren. Noch heute erinnert sich Kaminer an ihren aufgeregten Anruf aus dem ominösen Krimtatarendorf Trulala. Tataren, so weit das Auge blickt? In Filz gewandet? Beuys’ Sohn gar entdeckt? Spätestens hier dämmerte es Kaminer, dass die Krimbewohner ihrem Ruf erneut gerecht geworden waren. Ob wehmütige Post-Perestroiker im Reisefieber, Glücksritter auf Talfahrt, geheimnisvolle “Papstkinder”, Wessi-Touristen, die in der Nähe von Stawropol Schweineställe mit Rundbogenfenstern bestaunen (siehe Onkel Boris) — sie alle haben in Wladimir Kaminer ihren liebevollen Chronisten und Reisebegleiter gefunden. –Ravi Unger

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